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Die geologische Bedeutung der Baltringer Schichten

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Haifischzähne
Haifischzähne aus der Meeresmolasse von Baltringen.

Der Name Baltringer Schichten wurde für Meeressande eingeführt, die in der Region Baltringen in kleinen und größeren Sandgruben und entlang von Hohlwegen zutage treten. Es handelt sich um die Ablagerungen eines flachen Meeres. Dieses Meer entstand vor etwa 18-19 Millionen Jahren im sogenannten Molassebecken; so bezeichnet man das Gebiet nördlich der Alpen, etwa bis zur heutigen Donau (aber teilweise auch noch nördlich davon). Das Molassebecken entstand vor etwa 35-36 Millionen Jahren. Hier kam es im Wechsel zu Meeresüberflutungen oder zur Bildung großer Flusssysteme, die jeweils charakteristische Gesteinsablagerungen mit entsprechenden Fossilien hinterlassen haben. Die Ablagerungen werden allgemein als Molasse bezeichnet. Geologisch wird die Molasse von alt nach jung gegliedert in Untere Meeresmolasse, Untere Brackwassermolasse, Untere Süßwassermolasse, Obere Meeresmolasse, Obere Brackwassermolasse und Obere Süßwassermolasse. Etwa vor 7-8 Millionen Jahren wurde das Molassebecken gehoben, seitdem ist es Festland und die Molasse wurde teilweise wieder abgetragen. In den Eiszeiten bedeckten dann Gletscher weite Teile des Molassebeckens, so dass die Molassegesteine vielerorts auch von Gletscherablagerungen bedeckt sind. Bei Baltringen ist das jedoch nicht der Fall, hier treten Ablagerungen der Oberen Meeresmolasse in Sandgruben und Steinbrüchen direkt zutage.

Baltringen am Meersesstrand
"Baltringen am Meeresstrand" Federzeichnung von Ivo Schaible, die auch etwas den Humor des Künstlers offenbart.

Um die Entstehung der Baltringer Schichten zu verstehen, muss man die Geschichte der Oberen Meeresmolasse betrachten. Das Meer, welches die Ablagerungen der Oberen Meeresmolasse hinterließ, erstreckte sich vom Gebiet des heutigen Mittelmeeres über die Haute-Savoie und die Schweiz nach Süddeutschland und weiter nach Österreich bis zum Wiener Becken. In Süddeutschland wird die Obere Meeresmolasse bis etwa 200 m mächtig und lässt sich in zwei Zyklen unterteilen. Die Zyklen erkennt man daran, dass sie jeweils mit grobkörnigen Ablagerungen beginnen, die nach oben feinerkörnig werden. Am Ende von jedem Zyklus ist ein sogenannter Hiatus. Das bedeutet dass hier eine "Schichtlücke" vorliegt, das ist eine Zeitspanne, während der keine Ablagerungen entstanden sind. Wahrscheinlich sind die beiden Zyklen der Oberen Meeresmolasse auf Meeresspiegelschwankungen der Weltmeere zurückzuführen: stieg der globale Meeresspiegel, dann erfolgte die Überflutung des Molassebeckens, fiel der globale Meeresspiegel, dann verlandete das Molassebecken. Aber auch die Gebirgsbildung der Alpen könnte eine Rolle gespielt haben.

Dürnachbrücke
Dürnachbrücke aus Baltringer Sandstein.

Die Baltringer Schichten dokumentieren den Beginn des zweiten Zyklus der Oberen Meeresmolasse. An ihrer Basis findet man fossilreiche Kalke, die strandnah im Flachwasser entstanden sind. An Fossilien sind Reste von Muscheln, Schnecken, Knochenfischen, Haien, Sägefischen, Rochen, Krokodilen, Delfinen, Zahnwalen und vielen anderen Tieren zu finden. Die fossilreichen Kalke sind als Bausteine verwendet worden, beispielsweise sind die Grundmauern der Kirche in Baltringen daraus gebaut. Im weiteren Verlauf der Überflutung des Molassebeckens wurde das Meer dann tiefer, weshalb man in den Ablagerungen nicht mehr soviele Fossilien findet. Charakteristisch ist nunmehr eine sehr gleichmäßige und horizontal verlaufende Feinschichtung. Diese Ablagerungen werden nicht mehr als Baltringer Schichten bezeichnet, sie heißen "Feinsandserie" oder "Deckschichten". Mit ihnen endet der zweite Zyklus und damit die Sedimentation der Oberen Meeresmolasse. Für die Geologen sind die fossilreichen Baltringer Schichten ein wichtiger Leithorizont, weil man sie z.B. in Bohrungen leicht erkennen kann.

Prof. Bettina Reichenbacher
Frau Prof. Reichenbacher begutachtet zusammen mit ihrer Doktorandin den Aufschluss der Baltringer Schicht.

Pfarrer Dr. Joseph Probst (1823-1905) hat die Geologie Oberschwabens erforscht und in Baltringen 60.000 Haifischzähne von unterschiedlichen Haifischarten gesammelt; sie können in der Städtischen Sammlung Biberach besichtigt werden. Seither sind die Baltringer Schichten zwar immer wieder in der geologischen Literatur erwähnt, aber nicht mehr wissenschaftlich bearbeitet worden. Erst kürzlich wurden die Baltringer Schichten bei Baltringen von den Geologen-Paläontologen "wiederentdeckt", nicht zuletzt Dank der Kooperationsbereitschaft von Franz Liesch. Die Arbeitsgruppe von Frau Prof. Reichenbacher am Department für Geo- und Umweltwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München wird nun die wissenschaftliche Bearbeitung der bei Baltringen noch vorhanden Sandgruben unternehmen.

(Text von Prof. Dr. Bettina Reichenbacher)

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